„De Hartensspraak“ – wie verbreitet ist Plattdeutsch heute noch?
Kann Plattdeutsch in Zukunft als Sprache erhalten bleiben? Dafür sind umfassende Förderungen nötig. Landschaften und Landschaftsverbände wollen die Regionalsprache für Schüler interessanter machen.
Plattdeutsch ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das Niederdeutsche, die Sprache des Nordens. In ganz Niedersachsen leben „Plattsnacker“ – alleine sechs unterschiedliche „Plattdüütsch“-Dialekte werden in Norddeutschland gesprochen.
Anerkannte Regionalsprache
„Plattdeutsch war sicherlich mal eine Weltsprache“, sagt Arnold Preuß, (Foto links) Leiter des Theaters am Meer, der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven. Zu Zeiten der Hanse, zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert, war Plattdeutsch nicht nur die wichtigste gesprochene Sprache in Norddeutschland, sondern auch eine angesehene Schriftsprache. Mit dem Niedergang der Hanse in der Mitte des 15. Jahrhunderts verlor das Platt allmählich an Bedeutung und Hochdeutsch wurde immer wesentlicher. „Heute ist Platt noch immer eine anerkannte Regionalsprache und gehört einfach zu dieser Region“, erzählt Preuß.
Das Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft hat im September 2023 eine Umfrage zur plattdeutschen Sprach- und Verstehenskompetenz in Ostfriesland gemacht. Mehr als 58 Prozent der 2637 Befragten gaben dabei an, gut bis sehr gut Plattdeutsch zu sprechen und mehr als 84 Prozent von ihnen, Platt gut bis sehr gut verstehen zu können.
Umfassende Förderung nötig
Die Oldenburgische Landschaft, die sich für den Gebrauch der Regionalsprache in ihrem Gebiet, darunter die Stadt Wilhelmshaven und der Landkreis Friesland, einsetzt, hat solche Erhebungen nicht. „Eine repräsentative Studie oder Umfrage zum quantitativen Gebrauch des Niederdeutschen haben wir in unserem Bereich nicht“, erklärt Stefan Meyer, Diplom-Sozialwissenschaftler bei der Oldenburgischen Landschaft. Die letzte Erhebung zur Verwendung der Niederdeutschen Sprache habe das Bremer Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) im Jahr 2016 gemacht.
Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine „existenzielle Bedrohung“ der Regionalsprache noch keinesfalls gestoppt und noch weitere Anstrengungen sowie eine umfassende Förderung erforderlich seien. „Der subjektive Eindruck, dass das Niederdeutsche im ländlichen Raum verbreiteter ist als im urbanen Raum, hat sich dort bestätigt“, berichtet Meyer, da Städte mehr Menschen aus nicht-plattdeutschen Gebieten anziehen würden.
Aber weil es sich um eine regionale Sprache handelt, müsse sie bewahrt werden, findet Meyer: „Eine Regionalsprache bietet neben einem Bekenntnis zu einer Region zugleich die Möglichkeit der regionalen Identität.“ Ähnlich sagt es Preuß – und zwar auf Platt: „Plattdüütsch is en Hartenspraak“ – eben eine Herzenssprache.
Wie es in Jever mit dem Gebrauch und dem Verständnis des Plattdeutschen aussieht, zeigt ein kleines Stimmungsbild.
Hör- und Sprachverständnis
„Ich spreche es mit meinen Geschwistern und Freunden“, erzählt Ute Smidt aus Jever. „Man verlernt es einfach nicht.“ Elke Leiner, (Foto links) die in der Region aufgewachsen ist, beherrscht Platt ebenfalls: „Ich komme aus Ostfriesland, da bin ich geboren und wohne seit vielen Jahrzehnten in Jever. Ich bin mit der Sprache groß geworden.“
Heinz Mehrtens, (Foto links) der aus Ritterhude in der Nähe von Bremen stammt und derzeit mit seiner Frau Jever besucht, kennt das Niederdeutsche von seinen Großeltern: „Die beiden haben miteinander immer Platt gesprochen. Da ist natürlich auch bei mir etwas hängen geblieben. Heute verstehe ich es besser, als ich es spreche.“
Einen Wunsch zum Erhalt der Sprache hat Anne Anslik, die in Oldenburg in Holstein geboren ist, aber bereits seit vielen Jahren in Köln lebt: „Es wäre schön, wenn Kinder wieder vermehrt Platt sprechen würden.“
Förderung in den Schulen
Plattdeutsch für Schüler interessant zu machen ist das Ziel des Projekts „Platt is cool“, das 2009 in Niedersachsen von neun Landschaften und Landschaftsverbänden und der Landesschulbehörde ins Leben gerufen wurde und vom Kultusministerium unterstützt wird. Die Oldenburgische Landschaft hat zudem den Wettbewerb „Plattsounds“ initiiert für Nachwuchsbands aller Musikrichtungen aus Niedersachsen. Besonderheit: alle Beiträge müssen auf Plattdeutsch sein.
Das Niedersächsische Kultusministerium zeichnet zudem regelmäßig Schulen aus, die sich in besonderer Weise für die Region sowie die Sprachen Niederdeutsch und Saterfriesisch (gesprochen in der Gemeinde Saterland) einsetzen.
Die Besonderheiten des Niederdeutschen hob schon 1976 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt heraus: „Das Niederdeutsche ist ein Teil unserer Kultur mit eigenständiger Prosa und Poesie. Schon aus diesem Grunde sollte es gepflegt werden. Vielleicht sollten wir nicht nur Naturschutz und Denkmalschutz betreiben, sondern auch Sprachschutz.“
Gelingt es, junge Menschen für Platt zu interessieren, wird sicher auch der Wunsch von Arnold Preuß wahr werden: „Als Regionalsprache wird das Plattdeutsch hoffentlich noch lange bestehen.“
aus: NWZ Online. Fabian Reges Jeversches Wochenblatt Fotos: Björn Lübbe, Natalie Vershko