Stirbt die plattdeutsche Sprache aus?
Stirbt Plattdeutsch aus oder bleibt die Sprache erhalten? Diese Frage wird immer wieder diskutiert. Ein Team der Universität Oldenburg forschte dazu vier Jahre lang in der Gemeinde Krummhörn.
Wenn das Plattdeutsche in Ostfriesland aussterben sollte, dann ist die Krummhörn eine der letzten Bastionen, in der sich die Sprache wahrscheinlich am längsten erhalten wird. Denn in der Gemeinde im äußersten Nordwesten der ostfriesischen Halbinsel gibt es dafür gute Voraussetzungen. Das liegt sowohl an der vorhandenen Sprachkompetenz als auch an der Verbreitung des Plattdeutschen in der Region.
Aber: Plattdeutsch zu sprechen, fällt auch hier vielen Jüngeren bereits schwerer als der Gebrauch des Hochdeutschen, selbst denen, die eine hohe Sprachkompetenz von Haus aus mitbringen. Und das wiederum verringert die Aussicht, dass Plattdeutsch als Familiensprache weitergegeben wird und es somit in Zukunft schwer haben wird. Das ist ein Ergebnis eines Forschungsprojektes der Universität Oldenburg, das ein Team der Universität jetzt im Rathaus der Gemeinde in Pewsum präsentierte und vor allem der Frage nachging: Wie lebendig ist das Plattdeutsche noch in der Krummhörn?
95 Menschen aus der Krummhörn interviewt
„Es muss mehr Gelegenheiten geben zum Plattdeutschsprechen, besonders im Kindes- und Jugendalter“, mahnt Dr. Jörg Peters, Professor für Soziolinguistik und Pragmatik/Niederdeutsch an der Universität Oldenburg, der zusammen mit Marina Frank von der Philipps-Universität Marburg und Tio Roloff (Universität Oldenburg) die Ergebnisse nach fast vierjähriger Forschung nun der Öffentlichkeit vorstellte. „Eine der umfangreichsten und neueren Untersuchungen in einer so kleinen Region“, betont Jörg Peters. Unterstützt wurde das Forscher-Team dabei unter anderem von Heinz Richter, Plattdeutschbeauftragter der Gemeinde Krummhörn.
Sie gingen vor allem den Fragen auf den Grund, ob die Dominanz des Hochdeutschen von der älteren zur jüngeren Generation zunimmt? Wie hoch die Plattdeutschkompetenz in der jüngeren Generation im Vergleich zum ausgehenden 19. Jahrhundert ist? Ob die jüngere Generation Platt weniger flüssig spricht als Hochdeutsch? Und ob die jüngere Generation beim Plattsprechen mehr Zeichen stimmlicher Anspannung zeigt? Dazu wurden 95 Menschen aus 14 der insgesamt 19 Krummhörner Dörfer im Alter zwischen 15 und 88 Jahren interviewt, darunter 47 Frauen und 48 Männer. Sie mussten beispielsweise „up Platt“ über vertraute Themen frei erzählen, einen Weg beschreiben, vorlesen, über einen Cartoon erzählen und Wochentage aufzählen.
Platt als Pflichtfach an ostfriesischen Schulen?
„Eine ausreichende Sprachkompetenz allein garantiert jedoch noch lange nicht die Weitergabe des Plattdeutschen an künftigen Generationen“, weiß Jörg Peters. „So ist auch zu berücksichtigen, wie anstrengend der Gebrauch des Plattdeutschen ist.“ Ein Umstand, den die Forscher beispielsweise an einer geringeren Redeflüssigkeit messen konnten. Und: Bei Menschen, die eine Fremdsprache nicht beherrschen, ist die Stimme wesentlich angespannter.
Noch muss man sich ums Plattdeutsche nicht sorgen. Aber was, wenn die ältere Generation, die die Sprache noch gut bis sehr gut beherrscht, wegstirbt und die Jüngeren sie nicht mehr lernt? Eine der Forderungen des Forscher-Teams daher: Die Sprache muss zum Beispiel in Kindertagesstätten und Schulen mehr gefördert werden. Dafür lohnt sich ein Blick in das Nachbarland Niederlande mit der Provinz Friesland. Da ist das Friesische, Frysk, eine offizielle Sprache, die einen hohen Stellenwert hat und zum Beispiel auch als Pflichtfach an Schulen unterrichtet wird.
aus: NWZ-Online, Text und Bild: Holger Bloem