“Nur wer Macken hat, hat auch Ideen”

Im Gespräch mit Frenz Bertram, Autor des Romans „De de Sünn söch“, den das INS in Form eines online Fortsetzungsromans veröffentlicht hat. 

Er ist Ingenieur. Ein Mann, der sich mit Technik auskennt und andere gelehrt hat, die Welt mit diesem technischen Blick zu sehen. Er ist Schriftsteller. Ein Mann, der seiner Fantasie freien Lauf lässt, Welten kreiert und Charaktere erschafft. Wie passt das zusammen? Wir haben Frenz Bertram gefragt.

Frenz Bertram wurde 1937 in Schwabstedt, Nordfriesland, geboren. Nach einer Ausbildung zum Diplom-Ingenieur (Tiefbau) wurde er Berufsschullehrer. Als Studiendirektor war er Leiter der Bauabteilung (Berufsschule Husum) und Technikerschule Husum. Seit Mitte der 1980er Jahre schreibt Frenz Bertram Sketche, Theaterstücke und Prosa auf Plattdeutsch. 

INS. Wenn Sie umziehen würden, wo würden Sie wohnen wollen?
FB. Ein Traum, der auch Traum bleiben wird, ist es, längere Zeit auf einer Hallig zu sein. Aber Umziehen: nein. Ich kann mir nicht vorstellen, nochmal woanders Fuß zu fassen, ich brauche das Plattdeutsche um mich herum. Ich kann mir auch nicht vorstellen, in Bayern zu wohnen, wie unser Ältester. Da kommt man sich so eingesperrt vor, zwischen den ganzen Bergen. 

INS. Wo wir gerade bei Ihrem älteren Sohn sind: erzählen Sie doch etwas über Ihre Familie. 
FB. Ich habe eine liebe Frau, die genau dem Vorbild entspricht, das ich mir mal gemacht habe. Fangen wir mit der Haarfarbe an; blond ist sie jetzt fast (lacht), blauäugig – das kann man sich dann dazu denken, und das Plattdeutsche: sie liest meine Geschichten Korrektur. Wir haben zwei Söhne: der Ältere wohnt in Augsburg und der Jüngere in Hamburg. 

INS. Woher kommt Ihr Bezug zum Plattdeutschen? 
FB. In meiner Familie wurde nur Platt gesprochen – allerdings ein sehr altmodisches Plattdeutsch. Hochdeutsch war meine erste Fremdsprache. Ein Drittel bis fünfzig Prozent meines täglichen Lebens spreche ich immer noch plattdeutsch. 

INS. Sie haben schon einmal an einem plattdeutschen Poetry Slam teilgenommen. Wie war das für Sie?
FB.  Ich bin mir, was das Textliche anlangt, treu geblieben. Ich habe bereits fertige Texte dafür umgearbeitet. Dabei habe ich versucht, Humor mit einzubringen, habe aber auch nachdenkliche Texte für den Auftritt gewählt. Rappen, was einige dort gemacht haben, ist absolut nicht meine Nummer. Ich weiß nicht, ob ich in einen solchen Kreis überhaupt hineingehöre. Aber der Poetry Slam war eine interessante Erfahrung, ganz eindeutig. 

INS. Welchen Freizeitbeschäftigungen gehen Sie neben dem Schreiben nach? 
FB. Ich schreibe kulturhistorische Beiträge für heimatkundliche Zeitschriften und bin Schriftleiter des Heimatkalenders „Zwischen Eider und Wiedau“. Wozu ich nicht mehr komme, ist das Zeichnen und Malen. Seit 1954 spiele ich Theater auf der Bühne. Ich leite eine Laienspielgruppe, für die ich seit etwa 25 Jahren auch die Stücke schreibe. Ich war lange Zeit im Chor und singe sehr gern. 

INS. Was lesen Sie gern? 
FB. Autoren, die ich gerne lese, sind Stefan Heym und Ludwig Ganghofer. Ich bevorzuge von allem historische Romane. Was ich gar nicht mag, sind Science Fiction und Krimis. Die sind nicht meine Genres. 

INS. Wie kam es, dass Sie als Ingenieur mit dem Schreiben anfingen? 
FB. Mein Beruf als Bauingenieur ist nicht meine erste Wahl gewesen. Ich wäre lieber in etwas Künstlerischem tätig geworden, ich bin ja schon 1954 zum Theater gekommen. 

INS. Was war das erste Werk, das Sie geschrieben haben? 
FB. Das weiß ich ganz genau. Mein erstes Stück hat den Titel „Dann’nboom op de Foot setten“. Der NDR hatte seine Hörerschaft aufgerufen, Geschichten, die um die Weihnachtszeit spielen, aufzuschreiben und einzuschicken. Meine Geschichte wurde auch veröffentlicht (in: Weihnachtsgeschichten am Kamin. Hrsg. von Ursula Richter, Wolf-Dieter Stubel. Reinbek 1987) und im Radio vorgelesen. Etwas später habe ich dann das erste Theaterstück für die Laienspielgruppe geschrieben, von Anfang an auf Plattdeutsch. 

INS. Gibt es biografische Bezüge in Ihren Texten? 
FB. Das kann gar nicht ausbleiben. Was ich schreibe, erfinde ich, aber natürlich stecken auch biografische Erlebnisse in meinen Geschichten. Die Frage ist nur: Wie weit gelingt es mir, die Geschichte so zu verkleistern, dass man nicht merkt, dass es meine eigenen Erlebnisse sind? 

INS. Wie viele Stunden am Tag schreiben Sie? 
FB. Fragen Sie meine Frau, die würde Ihnen sagen, dass ich den ganzen Tag am Rechner sitze. Aber es passiert ja auch viel im Kopf. 

INS. Schreiben Sie auch hochdeutsche Texte? 
FB. Reine hochdeutsche Texte, nein. Aber es kommt immer mal wieder vor, dass ich eine besondere Person im Theaterspiel habe, mit der ich ein bisschen Fremdheit in das Stück bringen will; das wird dann eine hochdeutsche Rolle. Ich habe auch plattdeutsche Texte, in denen hochdeutsche Sätze vorkommen, weil ich etwas hervorheben will. Meine kulturhistorischen Beiträge schreibe ich aber vollständig auf Hochdeutsch. 

INS. Wie war es, 1998 beim „Vertell doch mal“–Wettbewerb den ersten Platz zu belegen? 
FB. Aufregend. Nach der Einladung habe ich versucht, herauszufinden, ob meine Geschichte vorgelesen wird. Wäre sie nicht vorgelesen worden, wäre ich auch nicht hingefahren. Die Platzierung war dann spannend. Ich war zwar überzeugt, dass meine Geschichte nicht schlecht ist, aber ich hatte nicht damit gerechnet, den ersten Platz zu belegen. 

INS. Woran arbeiten Sie gerade? 
FB. Da betreibe ich schon seit Wochen Recherche. Ich sammle Stoff über die Kriegsjahre in meiner Heimat hier. Ich habe auch schon einen Protagonisten, der sein Leben in dieser Zeit führen soll. Ob ich das so hinkriege, wie ich es haben möchte, weiß ich nicht. Aber wenn ich merke, dass ich nicht dahin komme, wo ich hinkommen möchte, dann werde ich mir an diesem Thema nicht die Finger verbrennen. 

INS. Können Sie sich vorstellen, auch Lyrik zu verfassen? 
FB. Überhaupt nicht, dann schon eher Beiträge für eine Hochzeitszeitung. 

INS. Wie entstand die Idee zum Fortsetzungsroman? 
FB. Als Fortsetzungsroman war es nie geplant. Ich habe bei meinen kulturhistorischen Recherchen ein Gerichtsurteil gefunden, in dem ein junges Paar angeklagt war, den Ehemann der Frau ermordet zu haben. Sie wurde freigesprochen, er kam in den Knast. Ich habe darüber hinaus einen Leumundsbrief des damaligen Pastors gefunden, der sich sehr lobend über diese Frau, die inzwischen schon fast 80 Jahre alt war, äußerte. In Geburten- und Hochzeitsregistern habe ich ebenfalls einige Lebensdaten gefunden. 

INS. Was hat Sie dazu gebracht, diese Frau zu Ihrer Protagonistin zu machen? 
FB. Mich hat sehr beeindruckt, wie sie ihr Leben in einem kleinen Dorf als Beschuldigte in einem Mordprozess so hat gestalten können, dass sie im hohen Alter so viel Anerkennung im Dorf fand – dazu gehörte nämlich eine Menge Mut in dieser Zeit und extrem viel Kraft. Dass eine Frau diese Kraft hatte, hat meine Fantasie in Gang gesetzt. Und dann habe ich mir eine Geschichte dazu ausgedacht. 

INS. Wie entstand der Titel „De de Sünn söch“? 
FB. Der Titel kam erst mit dem allerletzten Absatz. Danach musste ich das natürlich auch vorher schon mal anklingen lassen. Diese Hinweise sind dann sehr zielstrebig in der Überarbeitung in den Text gekommen. 

INS. Ist alles fiktiv oder gibt es auch Bezüge zur Wirklichkeit? 
FB. Es gibt Bezüge zur Wirklichkeit. Aber das sind sehr wenige. Ich würde sagen, dass etwa 1,5 Prozent auf Fakten beruht. Das Dorf Scharmoor beispielsweise gibt es nicht. Ich verwende extrem viel Zeit drauf, mir Ortsnamen ausdenken, die es nicht gibt. Und ähnlich geht es bei den Personen. Die Namen müssen in ihrer Bedeutung und auch zeitlich passen. Aber ich musste auch sehr viele Bezüge wieder herausnehmen. Es gibt so viele Handwerksdinge, Bräuche und Arbeitsweisen im Moor, die habe ich dann schweren Herzens gestrichen, um die Geschichte weiterfließen zu lassen. 

INS. Vielen Dank für das Gespräch. 

Preise und Auszeichnungen: 

  • 5. Preis der Dr.-Hans-Hoch-Stiftung, Neumünster, 1985 (Ausschreibung für ein plattdeutsches Drama) 
  • 1. Preis beim Erzählwettbewerb des NDR “Vertell doch mal” 1998 mit der Geschichte „Dükern“; außerdem drei Mal unter den 25 besten Teilnehmern 
  • Ehrenmitglied des Nordfriesischen Vereins Husum-Rödemis, 2007
  • Dr.-Hans-Meyer-Preis, Schwabstedt, 2009
  • Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik, 2009
  • Ehrennadel vom Nordfriesischen Verein Husum-Rödemis, 2012